Auch bei Geld: Sex sells!
Die Zeiten sind schwer, immer mehr Anbieter buhlen mit immer mehr Produkten um die Gunst der Geldanleger. Wie sich das zumBeispiel im Bereich der in den letzten Jahren von der Finanzmarktkrise stark gebeutelten Schiffsbeteiligungen auswirkt, hat der heutige Gastautor und Branchenexperte Michael Rathmann beleuchtet.
Sex sells!
Sie haben recht, Sex und Schifffahrt passt doch gar nicht zusammen, aber, wie so oft, ist die Überschrift nur im übertragenen Sinne gemeint. Der Klassiker ist natürlich eine entsprechend aufgemachte Werbung, in der mit gewissen reizvollen Attributen auf ein Produkt hingewiesen wird, um den Absatz des Produktes anzukurbeln. Zielrichtung solcher Kampagnen ist die menschliche Schwäche, dass halt manche besser sehen als denken können.
Es gibt aber im Kapitalmarkt auch Produkte, die ohne optisch reizvolle Attribute verkauft werden müssen und dazu verfällt man werblich in eine bestimmte Form der wirtschaftlichen Verbalerotik, um im Sinne der Überschrift das Produkt auf den Markt zu bringen. Wenn es also gelingt, ein Produkt mit einer bisher nicht da gewesenen Story auszustatten, der zu Folge anlagemäßig "im Himmel Jahrmarkt" ist, dann finden Kapitalanleger das sexy.
Wenn aber Kapitalanleger solchen Verlockungen im Zusammenhang mit Schiffsbeteiligungen erliegen, dann sind wir bei dem Motto: Sex sells und haben damit auch den Brückenschlag von Sex zur Schifffahrt. Die Herleitung war nicht ganz einfach, aber die Gratwanderung ist gelungen.
Viele Emissionshäuser hatten Ende 2007 und im Jahr 2008 noch Emissionen mit Containerschiffen und Tankern im Markt. Aber im Verlauf des Jahres 2008 kam die Ernüchterung, dass der Absatz von Beteiligungen in diesen Segmenten auf Grund des Marktumfeldes zu stagnieren begann und Ende des Jahres sogar deutlich rückläufig wurde. Gegen diesen Trend brachte das Emissionshaus Nordcapital, Hamburg, erstmalig einen sogenannten Offshore Fonds auf den Markt. Dies war nach Jahren mit den zuvor genannten Containerschiffen und Tankern eine Innovation mit einer guten Story um ein Marktsegment, was bisher keiner kannte.
Offshore Fonds sind Beteiligungsangebote, in denen Plattform-Versorgungsschiffe (PSV) für die Öl- und Gasförderung auf See angeboten werden. Also eine ganz normale Schiffsemission, wie sie seit vielen Jahren den Anlegern als Beteiligungsmöglichkeiten angeboten werden, nur eben mit einer ganz anderen, innovativen Vertriebsstory drum herum, die sich von der Masse abhebt und dadurch einfach sexy ist für Kapitalanleger. Es ist der Reiz des Neuen, der lockt.
Die Vertriebsargumente für diese PSVs liegen natürlich auf der Hand. Der weltweit steigende Energiebedarf, schließlich haben Öl und Gas mit 60% den größten Anteil an der weltweiten Energieversorgung. Der Anstieg der Gesamtenergienachfrage, der auf rund 45% geschätzt wird bis zum Jahr 2030 und ein entsprechender Anstieg der Nachfrage nach Öl und Gas, der auf rund 41% geschätzt wird.
Da die Exploration von neuen Öl- und Gasvorkommen verstärkt auf dem offenen Meer (offshore) betrieben wird und sich die Investitionen in diesem Bereich seit 2004 verdoppelt haben, werden solche PSVs natürlich benötigt. Mit steigender Anzahl von Ölbohrplattformen, die für diese Art der Exploration benötigt werden, steigt natürlich auch die Nachfrage nach solchen Schiffen. Denn nur mit solchen Spezialschiffen ist die Versorgung der Plattformen gewährleistet. Diesen Argumenten kann sich der normale Anleger nicht verschließen und so ist Nordcapital inzwischen mit der Platzierung des Offshore Fonds 5 durch.
Auf Grund der Entwicklung in diesem Segment der Spezialschiffe kam es natürlich, wie so oft, zu Bedarfsplanungen, die möglicherweise am Markt vorbeigingen. Es wurden nämlich Stückzahlen an PSVs bei den Werften geordert, deren Anzahl in einer schlechten Korrelation zu ihrem Bedarf stehen. Aber kennen wir dieses Problem nicht zu Genüge? Na klar, Containerschiffe und Tanker wurden auf Grund ihrer Story und der Nachfrageschätzungen ebenfalls geordert bis zum Abwinken und die gegenwärtige Situation in diesen Schifffahrtsbereichen ist hinlänglich bekannt.
Die Informationen an die Anleger des Offshore Fonds 2 z.B. ähneln den Informationsschreiben im Bereich Container und Tanker leider sehr. Da heißt es, dass die Ausschüttung nicht in der geplanten Höhe vorgenommen werden kann, weil der US-Dollarkurs im Jahr 2010 deutlich schwächer angenommen wird, als im Prospekt kalkuliert.
(Dieses Argument verstehe ich nicht ganz, weil der US-Dollar im Prospekt mit 1,25 zum Euro kalkuliert ist und mit einem entsprechenden Währungsmanagement bei den derzeitigen Kursen viel gewonnen werden kann).
Weiter heißt es: Gleichzeit sind die Schiffsbetriebskosten erhöht, was mit Zinseinsparungen aber teilweise kompensiert werden kann. Aus diesem Grund plant die Geschäftsführung eine leicht reduzierte Auszahlung gegenüber den prospektierten Werten. Die Auszahlung soll in zwei Tranchen erfolgen, wobei der zweite Teilbetrag von der wirtschaftlichen Entwicklung des Fonds und von der grundsätzlichen Zustimmung der finanzierenden Bank abhängig ist. Willkommen im Alltag der Schiffsbeteiligungen, den wir alle gerade leben.
In der Information an die Anleger des Offshore Fonds 4 heißt es, dass auf Grund der stark gefallenen Ölpreise die Situation eingetreten ist, dass die Ölfirmen verschiedene Aktivitäten und Investitionen zurückgestellt haben. Gleichzeitig drängen die erwarteten PSV-Neubauablieferungen in den Markt. Dies hat –speziell in der Nordsee- zu einem Überangebot an PSV und damit zu einer Belastung des Charterratenniveaus geführt. Aber die Anzeichen mehren sich, dass die Talsohle durchschritten ist. Auch hier hat die Realität den Reiz der Vertriebsstory überholt.
Aber nicht nur diese Vertriebsstory ist auffällig, sondern auch ein ganz anderes Angebot im Kapitalanlagemarkt der Schiffsbeteiligungen erfreut sich eines regen Interesses, insbesondere in der Presse. Der Schiffsfonds "ML Schiffsinvest 1" aus dem Hause Lange Vermögensberatung GmbH, München, gerät zunehmend ins Kreuzfeuer der Kritik. Schenkt man den kritischen Stimmen Glauben, dann ist die werbliche Aussage in den Mailings aus dem Hause Lange, mit denen viele Kapitalanleger derzeit beglückt werden, doppeldeutig zu verstehen. Es heißt in dem Schreiben: "Der ML Schiffsinvest 1 ist der aussichtsreichste (Schiffs-) Fonds, den ich in meiner Laufbahn habe anbieten können." Aussichtsreich, für wen?
Die grundsätzliche Idee des Beteiligungsangebotes basiert darauf, sich an bereits notleidenden Schiffsgesellschaften zu beteiligen, um so den Bestand der Gesellschaft zu sichern. Darüber hinaus kann sich die Fondsgesellschaft an neu zu gründenden Schiffsgesellschaften beteiligen und Seeschiffe im Ganzen erwerben. Der Fonds bietet die Chance zur Investition in den Schiffsmarkt zu historisch niedrigen Kaufpreisen und durch die breite Risikostreuung und ein hohes Renditepotenzial bei kurzer Laufzeit, sind die Renditechancen für den Anleger sehr hoch. Soweit die Theorie, sicherlich auch eine "sexy" Story im Vertrieb, aber auch hier überrollt den interessierten Kapitalanleger die Realität, allerdings mit wesentlich größerer Wucht.
Wenn sich "Otto Normalanleger" mit dem Prospekt auseinandersetzt, wird ihm das Gefühl vermittelt, dass er ein richtig gutes Produkt erwirbt, wenn aber Profis im Vertrieb den Prospekt mehrfach ansehen müssen um zu verstehen, wie sich die Lange-Gruppe bedient und was der Anleger von den Gewinnen zu sehen bekommt, dann sollte man schon nachdenklich werden. Der Schlüssel zum Verständnis der Benachteiligung der Kapitalanleger liegt in der Gewinnverteilung unter den Kapitalgebern. Vom Gesamtvolumen des Fonds, dies sind Euro 50 Mio. übernimmt die Lange-Gruppe Euro 1,2 Mio. Der Anteil der Lange-Gruppe ist voll ergebnisberechtigt. Vom Anlegerkapital in Höhe von Euro 48,8 Mio. sind aber nur 10% ergebnisberechtigt, also Euro 4,8 Mio. Der Rest von Euro 44 Mio. gilt als nicht ergebnisberechtigte Rücklage.
Daraus ergibt sich einen erhebliche Schieflage in den Relationen der Ergebnisverteilung, mit der Folge, dass die Lange-Gruppe überproportional hohe Gewinnanteile realisiert, während sich der Anleger mit absolutem Mittelmaß begnügen muss. Das ganze gipfelt am Ende der Laufzeit darin, dass von der zurück zu zahlenden, nicht ergebnisberechtigten Rücklage die Lange-Gruppe noch einmal 19,74 Prozent der Rücklage als Vergütung erhält, immerhin rund Euro 8,7 Mio. Dazu heißt es in den Unterlagen weiter: " Weitere Provisionen im Sinne des §4 Satz 1 Nr.12 VermVerkProspV fallen nicht an". Was für ein Glück für die Anleger, dass sie nicht auch noch Provisionen zu Beginn der Investition zahlen mussten.
Dem Laien sind diese Feinheiten in der Form gar nicht ersichtlich und wenn nur ein Profi die Zusammenhänge erkennt, dann ist die öffentlich geübte Kritik an diesem Beteiligungsangebot absolut berechtigt. Dem Anleger wird suggeriert, dass es sich um eine faire Gewinnverteilung handelt und ihm auf Grund nicht erhobener Vorkosten überproportionale Vorteile entstehen. Aber letztlich bleibt dem Anleger nicht mehr übrig, als in jedem anderen durchschnittlichen Beteiligungsangebot auch. Ob das in der momentanen Marktsituation hilfreich ist für die Branche möchte ich bezweifeln, aber auf jeden Fall ist diese Vertriebsstory total "unsexy"!
Unser Gast-Autor
Michael Rathmann, MIRA in Buxtehude, beschäftigt sich seit 1986 mit Schiffsbeteiligungen. Er ist ein vielzitierter Experte, dessen Beiträge in vielen Fachzeitschriften für Geldanleger veröffentlicht werden.
27.06.2010
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