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Lehman-Anleger: Chancen steigen durch positive Urteile

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Heute beschreibt Sybille Möbius, Rechtsanwältin in der Sozietät BTR Mecklenburg & Kollegen, exklusiv für die Geld-Magazin.de-Leser die Hintergründe und Konsequenzen aus den für Anleger positiven "Lehman-Urteilen" der letzten Wochen.

Die Zusammenschau der neueren Urteile des Landgerichts Hamburg vom 23.06.2009 (Aktenzeichen 310 O 4/09) und 1.07.2009 (Aktenzeichen 325 O 22/09) sowie des Urteils des BGH vom 12.05.2009 begründen gute Aussichten für die erfolgreiche Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen der Anleger von Lehman Zertifikaten. Die vorgenannten Urteile bestätigen, dass die Banken beim Vertrieb von Wertpapieren über die Höhe der ihnen zufließenden Provisionen bzw. Gewinnmargen und über den Umstand aufklären müssen, dass eine Anlage nicht über den Einlagensicherungsfonds abgesichert ist.

Andernfalls liegt eine Pflichtverletzung aus dem regelmäßig konkludent zustande gekommenen Beratungsvertrag vor.

 

Rechtliche Beurteilung von Schadenersatzansprüchen immer Einzelfallbetrachtung

Die rechtliche Beurteilung von Schadenersatzansprüchen der Anleger gegen die beratenden Banken ist immer eine Einzelfallbetrachtung, in der die Anlageziele und Erfahrungen des Anlegers ebenso wie die Angaben des Beraters zum Anlageobjekt zu evaluieren und im Prozess auch zu beweisen sind. Dies stellt Anleger deshalb gewöhnlich vor ein Problem, da solche Beratungsgespräche meist unter vier Augen erfolgen und Beratungsdokumentationen als lästig empfunden und daher mit allgemeinen Phrasen versehen werden. In den allermeisten Lehman-Anleger - Beratungen sollen die Banken suggeriert haben, das angelegte Geld sei sicher und Risiken bestünden allenfalls im Hinblick auf die Rendite. Der überreichte Werbe-Flyer enthält im "Kleingedruckten" dann einen Hinweis des Inhalts:
"Der Wert des Zertifikats unterliegt den Schwankungen des Marktes".
In den Beratungsdokumentationen findet sich schlussendlich die Aussage:
"Der Kunde wurde über die Funktionsweise und die durch die Struktur der Anlageform bedingten Risiken informiert."

 

Diese Beratungsdokumentation wurde in vielen Fällen von dem gutgläubigen Anleger unterzeichnet. Übereinstimmend gehen derzeit noch sämtliche Gerichte davon aus, dass der fehlende Hinweis auf ein - im Anlagezeitpunkt lediglich - theoretisch bestehendes Totalausfallrisiko keine haftungsbegründende Pflichtverletzung des Beratungsvertrages darstellt. Die Mehrzahl der Anleger sieht in dem fehlenden Hinweis auf dieses Risiko, dass sich bekanntlich durch die Insolvenz der Emittentin realisierte, den Hauptfehler der Beratung der Banken.

 

Neuere Rechtsprechung des Landgerichts Hamburg

 

Eine Pflichtverletzung sieht das Landgericht Hamburg aber mit den eingangs benannten Urteilen sowohl darin, dass über die Gewinnmargen der Bank nicht informiert wurde, als auch darin, dass die fehlende Absicherung durch den Einlagensicherungsfonds nicht dargestellt wurde. Dieses Urteil dürfte für sämtliche Lehman Anleger deshalb interessant sein, da in vielen Fällen von der Bank nicht bestritten wurde, über diese Punkte nicht aufgeklärt zu haben. Zwar ist das Urteil bisher nicht rechtskräftig, allerdings bestehen nach unserem Dafürhalten jedenfalls mit Blick auf die fehlende Aufklärung über Gewinnmargen gute Chancen, dass die Urteile nicht aufgehoben werden.

 

Dies folgt daraus, dass der BGH in einer seiner jüngsten Entscheidungen vom 12. Mai 2009, nochmals klargestellt hat, dass ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, also u.a. jede Bank, verpflichtet ist, über Rückvergütungen (Ausgabeaufschläge, Boni etc.) den Kunden aufzuklären. Der BGH hat diese grundsätzliche Entscheidung – die er im Bereich der Immobilienfonds bereits seit Jahren vertrat – nunmehr für Wertpapiergeschäfte bestätigt.

 

Organisationsverschulden der Bank, wenn Mitarbeiter nicht über Informationspflicht aufgeklärt sind

Das Spannende an dieser Entscheidung ist jedoch, dass der BGH den Einwand der Bank, die jeweiligen Berater hätten ihre Verpflichtung hierzu nicht gekannt, nicht akzeptiert. Der BGH hat es nämlich als ein Organisationsverschulden der Bank angesehen, wenn sie ihre Mitarbeiter nicht entsprechend schult und vor allem klargestellt, dass für die ordnungsgemäße Schulung der Mitarbeiter die Bank beweisbelastet ist.

Damit stehen die Chancen, Schadenersatzansprüche durchzusetzen, zwischenzeitlich deutlich besser, weil das Landgericht Hamburg mit überzeugender Argumentation vertritt, diese Rechtssprechung sei analog auf solche Fälle anzuwenden, in denen ein eigenes Interesse der Bank an der Vermittlung der Zertifikate deshalb bestand, weil die Banken in größerem Umfang Lehman – Zertifikate erworben hatten und nur gegen einen Abschlag an Lehman Brothers hätten zurückgeben dürfen. Deshalb habe ein besonderer Anreiz für die Banken bestanden, gerade dieses Produkt zu vertreiben. Zwar handelt es sich vorliegend nicht nur um die Frage, ob die Sparkasse Provisionen erhalten hat. Vom Grunde her hat das Landgericht Hamburg hier die Intension des Bundesgerichtshofes umgesetzt, nach der der Anleger über ein beim Berater bestehendes eigenes Interesse am Geschäftsabschluss aufgeklärt werden muss, um die Objektivität der Beratung nachvollziehen zu können.

Rechtsprechung des Landgericht Hamburg für Alpha Express Zertifikat Anleger

Für Anleger im Alpha Express Zertifikat ist das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 15.12.2008 (Aktenzeichen 318 O 4/08) interessant, mit dem im Hinblick auf die unzureichende Aufklärung zu Risiken dieses konkreten Zertifikats ebenfalls zu Gunsten eines Anlegers entschieden wurde.
Selbst in Derivatgeschäften versierte Anleger hätten hier – so das Landgericht Hamburg - eingehend über die Funktionsweise des Zertifikats und die Entwicklungschancen des DAX und des Euro-Stoxx informiert werden müssen, um das mit der Anlage verbundene Risiko einschätzen zu können. Bei dieser Entscheidung ist zu berücksichtigen, dass es sich um eine auf die Risiken dieses konkreten Zertifikats zu beschränkende Entscheidung handelt, bei der der Anleger auf eine positivere Entwicklung der im Index DJ Euro-Stoxx Select Dividend 30 notierten Basiswerte zum DAX 30 spekulierte. Hier muss der Anleger über weitreichende Kenntnisse der in den Indices notierten Werte verfügen, um die Risiken real einschätzen zu können. Vermittelt die Bank diese Kenntnisse nicht, ist die Beratung nicht ordnungsgemäß.

Anleger, die sich vor der Lehman-Pleite bei der Bank nach Verkaufsmöglichkeiten erkundigten

Zahlreiche Anleger haben angesichts fallender Werte der Zertifikate die beratende Bank aufgesucht und die Empfehlung erhalten, das Zertifikat zu halten. Der Bundesgerichtshof hat bereits mit Urteil vom 21.03.2006 hierzu entschieden und folgenden Grundsatz aufgestellt:
Tritt ein Anleger an eine Bank heran, um über die Anlage eines Geldbetrages beraten zu werden, so wird das darin liegende Angebot zum Abschluss eines Beratungsvertrages stillschweigend durch die Aufnahme des Beratungsgesprächs angenommen (Senat BGHZ 123, 126, 128; Urteile vom 9. Mai 2000 - XI ZR 159/99, WM 2000, 1441, 1442 und vom 25. Juni 2002 - XI ZR 218/01, WM 2002, 1683, 1686). Dasselbe gilt, wenn ein Kunde sich - wie hier - nach getroffener Anlageentscheidung bei der Bank erkundigt, wie er sich angesichts fallender Kurse verhalten soll (vgl. LG Essen NJW-RR 1993, 1392, 1394; Balzer, in: Welter/Lang, Handbuch der Informationspflichten im Bankverkehr Rdn. 7.80).

Inhalt und Umfang der Beratungspflichten hängen von den Umständen des Einzelfalls ab. Die Beratung muss anleger- und objektgerecht sein (Senat BGHZ 123, 126, 128). Maßgeblich sind einerseits der Wissensstand, die Risikobereitschaft und das Anlageziel des Kunden und andererseits die allgemeinen Risiken, wie etwa die Konjunkturlage und die Entwicklung des Kapitalmarkts, sowie die speziellen Risiken, die sich aus den besonderen Umständen des Anlageobjekts ergeben. Während die Aufklärung des Kunden über diese Umstände richtig und vollständig zu sein hat (Senat, Urteil vom 9. Mai 2000 - XI ZR 159/99, WM 2000, 1441, 1442), muss die Bewertung und Empfehlung eines Anlageobjektes unter Berücksichtigung der genannten Gegebenheiten ex ante betrachtet lediglich vertretbar sein (Nobbe, in: Horn/Schimansky, Bankrecht 1998 S. 235, 248). Das Risiko, dass sich eine Anlageentscheidung im Nachhinein als falsch erweist, trägt der Kunde (BGH, Urteil vom 4. Februar 1987 - IVa ZR 134/85, WM 1987, 531, 532). Auch Börsentipps liegen nicht im Rahmen der vertraglichen Haftung einer Bank für Rat und Auskunft (BGH, Urteil vom 18. Juni 1971 - I ZR 83/70, WM 1971, 987, 989).

Angesichts der gesamtwirtschaftlichen Veränderungen und des Fortschritts der Subprime–Krise neben dem Beginn der allgemeinen Finanzmarktkrise lässt sich möglicherweise im Einzelfall argumentieren, dass nicht davon auszugehen war, dass die Kurse wieder steigen, wenn die Rückfrage in zeitlichem Zusammenhang mit der Insolvenz der Lehman Brothers Treasury B.V. stand. Hier könnte also im Einzelfall ein weiterer Beratungsfehler der Bank vorliegen, der allerdings die Schadenersatzhöhe auf die Differenz des Kurswertes zum Zeitpunkt der Nachfrage bis zum Totalverlust begrenzen dürfte.

Über die Autorin:

Sybille Möbius ist Rechtsanwältin in der Sozietät BTR Mecklenburg & Kollegen, die u.a. auf den Anlegerschutz spezialisiert ist.

Geld-Magazin.de, Anette Rehm, 19.7.2009


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